Zerbombt
von Sarah Kane
Originaltitel Blasted
Schon ihr erstes Stück Blasted, welches zunächst als Beziehungskonflikt in realistischer Umgebung beginnt, löst sich allmählich durch extreme Situationen auf.Die Personen werden durch die Verfremdung der Realität und symbolisches Geschehen immer tiefer in die abstrakte Wirklichkeit eines Krieges versetzt, bis sie zuletzt, in kurzen Momentaufnahmen auf ihre Instinkte reduziert, ein – wenn auch wenig hoffnungsvolles – Miteinander finden. Dieses Auflösen gewohnter Strukturen, das Einbrechen surrealer Situationen und extremer Gewalt ermöglicht eine Ebene der Abstraktion, welche auch kleinste Elemente physischer und psychischer Gewalt in zwischenmenschlichen Verhältnissen deutlich macht und um globalere Dimensionen erweitert. Symbolismus, Reduzierung und Abstraktion fungieren also in der Darstellung als Katalysator, der eine Verbindung von Trivialität und Extremen ermöglicht und aufzeigt. Zerbombt behandelt die Abgründe der Beziehung zwischen den Protagonisten Ian und Cate, die sich in einem Hotelzimmer befinden. Ian vergewaltigt dort Cate, löst damit eine Kette der Gewalt aus. Er bekommt kurze Zeit später, sozusagen als Strafe, die Auswirkungen des Krieges, der zwischen den beiden Charakteren vorherrscht und der oberflächlich betrachtet von Ian ausgelöst wird, am eigenen Körper zu spüren; und zwar durch einen Soldaten, der plötzlich aus dem Nichts auftaucht, ihn zuerst vergewaltigt und ihm anschließend die Augen aussaugt. Schließlich ist die Welt im Hotelzimmer ebenso zerstört wie die auf der Straße. Cate, die vor Ian flüchtete, kehrt am Ende des Stücks zu ihm zurück. Sie hat nicht vergessen, was er ihr angetan hat – sie sieht in ihm jedoch ein menschliches Wesen, das ihren Beistand benötigt. Wobei unbedingt angemerkt werden muss, dass Cate ja aufgrund ihrer psychischen Prädisposition nichts anderes zu tun vermag, als ihr eigenes Leben an das von Ian zu ketten; sie ist eine (klinische) Masochistin und er ihr Pendant, ein (klinischer) Sadist. Das Stück endet damit, dass Cate Ian zu essen gibt, und er sich bedankt, was durchaus eine Pointe darstellt, da es wohl die einzige „gelungene“ Kommunikation des Paares in dem Stück ist. Beim Erscheinen wurde das Stück auch wegen seiner Brutalität zum Teil heftig kritisiert (so z.B. in den Zeitungen Daily Mail, The Sunday Telegraph, The Spectator). Heute gilt das Stück sowohl in seiner Radikalität als auch in seiner minimalistischen Sprache sowie in der gelungenen Verknüpfung der psychologischen Dimension (die Paarbeziehung) mit der politischen Dimension (der Krieg) als wegweisend für die englische Theaterszene der 90er Jahre. Den zweiten Teil des Stückes, den Einbruch des großen Krieges in den kleinen privaten Krieg, war in einer früheren Version des Stückes, die sie 1993 mit Studenten aufführte, kein Teil des Stückes und wurde von Sarah Kane unter dem Eindruck der Bilder des Bosnienkrieges im ehemaligen Jugoslawien geschrieben.
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